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Der endlose Kampf in Südafrika gegen Tabus und den Tod » Buyiswa, Frauen, Mhambi, Menschen, Empilisiweni, AIDS » Fotoblog - Maryatta Wegerif

Der endlose Kampf in Südafrika gegen Tabus und den Tod

Please follow this link to the English version of this article.

Organisation Empilisiweni Masimanyane geht gegen Ignoranz gegenüber AIDS und Stigmatisierung der HIV-Infizierten vor

Buyiswa Mhambi ist eine fröhliche Frau, die pure Lebensfreude und Kraft ausstrahlt. Die 58jährige xhosastämmige Südafrikanerin nutzt jeden Grund, der sich ihr zum Lachen bietet. Dann bebt ihr ganzer Körper und lautes herzliches Gelächter erschüttert die Umgebung. Das braucht sie um einen Gegenpol zu Intoleranz, Ignoranz, Stigmatisierung und zahlreichen Tabus zu haben. Denn Buyiswa Mhambi ist eine Kämpferin im Krieg gegen den tödlichen HI-Virus und seiner Ausbreitung in Südafrika.

Südafrika gehört mit 5,5 Millionen HIV-Infizierten zu den Ländern mit der weltweit höchsten AIDS-Rate. Gerade in einem Land, das immer noch mit den Folgen der Apartheid zu kämpfen hat, in dem Traditionen Halt geben, verschiedene Kulturen aufeinander prallen und Armut und Arbeitslosigkeit für hohe Kriminalitätsraten sowie eine extreme Gewaltbereitschaft sorgen, ist der Kampf nicht allein durch die Verteilung von Kondomen zu gewinnen. Vor allem in der Eastern Cape-Region, wo etwa 4,5 Millionen des südafrikanischen Xhosa-Volkes in großer Armut leben, greift die Krankheit trotz vieler Maßnahmen immer weiter um sich.

Empilisiweni Masimanyane

Mit dem kleinen Löffel gegen die große Welle

Buyiswa Mhambi war Ende 40, als der Virus ihr Leben und das Leben ihrer Familie von Grund auf änderte. Kurz hintereinander starben zwei ihrer Schwestern an AIDS. Keiner aus ihrer Umgebung wusste genug über die Krankheit und ihre Risiken und Ansteckungsgefahren. Inzwischen ist Buyiswa Expertin auf dem Gebiet und leitet die Organisation Empilisiweni (gesunder Ort), die es sich zur Aufgabe gemacht hat festgefahrene Vorurteile, starre Traditionen, Stigmatisierung der AIDS-Infizierten und Unwissenheit zu bekämpfen.

„Wir müssen in den Herzen und den Köpfen der Menschen Veränderungen bewirken. Das ist sehr schwer. Ich fühle mich oft so, als würde eine große Welle auf uns zustürmen und als hätten wir nur kleine Löffel, um das Wasser aufzuhalten“, beschreibt Buyiswa Mhambi, Managerin der Organisation Empilisiweni, ihre Ohnmacht angesichts der nur leicht zurück gehenden Aidsrate.

Epilisiweni wurde von Dr. Leslie-Anne Foster ins Leben gerufen und gehört zu der übergeordneten Organisation Masimanyane („Lass uns vereinigen“ ). 1995 gründete die engagierte Frauenrechtskämpferin Dr. Leslie-Anne Foster die Organisation Masimanyane mit dem Ziel von Gewalt betroffenen Frauen in Südafrika einen geschlechterspezifischen Service zu bieten. Die Südafrikanerin setzt sich für die Rechte der Frauen weltweit ein und gehört mit Rashida Manjoo zu den bedeutendsten Frauenrechtskämpferinnen Südafrikas. Ihre Organisation bietet Schutz für Frauen, Beratungen gegen Gewalt, Aufnahme von vergewaltigten und missbrauchten Frauen und Mädchen und bekämpft die steigende Gewaltbereitschaft im Land.

Empilisiweni Masimanyane

Eine Folge der Gewaltbereitschaft gegen Frauen ist die Ausbreitung von HIV.

54 Prozent der HIV-Infizierten in Südafrika sind weibliche Erwachsene. Ein großer Teil davon hat die Krankheit durch Vergewaltigungen bekommen. So hat die UNO ermittelt, dass das Ansteckungsrisiko für junge Frauen und Mädchen in Südafrika bis zu viermal höher ist als bei Männern. Das ist kein Wunder, wenn man bedenkt, dass die Vergewaltigungsrate in dem Land weltweit zu den höchsten gehört. Alleine von April 2006 bis September 2007 wurden 75.000 Vergewaltigungsfälle dokumentiert. Doch laut Amnesty International liegt die Dunkelziffer sehr viel höher. Die wenigsten Frauen erstatten Anzeige. „Ich war allein im Dorf, die Kinder waren in der Schule und die restlichen Bewohner unterwegs, als sechs junge Männer kamen und mich in meinem Heim mehrfach vergewaltigten“, erzählt ein Opfer bei einer öffentlichen Veranstaltung von Empilisiweni. Zur Polizei ist sie damals nicht gegangen und auch ihrem Mann oder Freunden verheimlichte sie die Vergewaltigung aus Angst vor der Schande.

Von der reinen Beratung zum groß angelegten HIV-Präventionsprojekt

„Wir können nicht über HIV reden, ohne über Gewalt und Vergewaltigung zu sprechen. Hier sind die Frauen die Opfer, sie werden dazu erzogen, sich nicht aus dieser Rolle zu stehlen“, erklärt Buyiswa Mhambi. Das ursprüngliche Ziel von Empilisiweni war die Beratung von HIV-positiven Frauen und Mädchen, die gerade nach einer Vergewaltigung den Virus und seine Folgen verdrängen. „Als ich 2003 hier als Managerin anfing, habe ich die reine Beratung, bei der die Frauen zu uns gekommen sind, aufgegeben. Mir war es wichtiger, mit den Menschen vor Ort zu arbeiten und Gemeindearbeit zu leisten“, erklärt Buyiswa Mhambi ihre Arbeit. Denn schließlich sind die südafrikanischen Frauen ein zentraler Teil ihrer jeweiligen Dorfgemeinde. Buyiswa ist überzeugt:  „Um langfristig HIV zu verhindern und weitere Ansteckungen zu vermeiden, müssen sich alle Menschen einer Dorfgemeinschaft über die Risiken von HIV und die Probleme, die die Ausbreitung des Virus vorantreiben, im Klaren sein“.

Empilisiweni Masimanyane

Empilisiweni betrachtet die Gesamtstruktur eines Dorfes: die wirtschaftliche Lage, der Zustand der Ausbildungsstätten und das Lehrmaterial, die medizinische Versorgung durch Kliniken und Hospitäler, die Infrastruktur, die demographische Situation sowie die Zusammenarbeit der einzelnen Behörden untereinander, mit den traditionellen und religiösen Führungskräften und mit der Regierung. „Jeder Ort, in den wir kommen, ist anders und bietet eigene Probleme und Herausforderungen“, erklärt Buyiswa Mhambi. Vor allem in den ländlichen Regionen des Eastern Cape ist Sexualität ein Tabuthema. Da die HIV Infektion ausschließlich mit der Übertragung durch Geschlechtsverkehr in Verbindung gebracht wird, werden Infizierte stigmatisiert. Dies führt zu einem geringen Interesse daran, sich einem HIV-Test zu unterziehen und sich als Infizierte durch Schutzmaßnahmen wie Kondome, Verzicht auf Stillen, Kaiserschnitt etc. zu „outen“.  „Remove the Stigma – know your status!“ lautet entsprechend der zentrale Slogan der  Kampagne von Empilisiweni Masimanyane. Dabei wird HIV als eine Krankheit von vielen in Zusammenhang mit z.B. Tuberkulose, Krebs und Diabetes gebracht.

Empilisiweni Masimanyane

Die MitarbeiterInnen versuchen, in flächendeckenden Hausbesuchen mit den Menschen über Gewalt, Sexualität, Missbrauch, Krankheiten und ihre Folgen ins Gespräch zu kommen. Flankierend werden öffentliche Aufklärungsveranstaltungen an Schulen, in Klinken und in Gemeinden organisiert sowie umfassende kostenlose Gesundheitstests vor Ort angeboten. Dies geschieht unter Einbeziehung lokaler Prominenz aus Politik, Polizei und natürlich religiöser und traditioneller Führungspersönlichkeiten.

Seit Buyiswa Mhambi  ihre Arbeit in der Organisation aufgenommen hat, wurden zwölf Dörfer und 24 Schulen sowie fünf Gefängnisse in das groß angelegte HIV-Präventionsprojekt eingebunden. Im Mai 2009 begannen die Empilisiweni-Mitarbeiter mit ihrer Arbeit in Frankfort.

Empilisiweni Masimanyane

Frankfort – ein Dorf der Gegensätze

Der Ort mit seinen fünf Dorf-Gemeinden liegt 80 km von East London entfernt und zeichnet sich durch extreme Gegensätze aus. Im Hauptdorf treffen die runden und farbenprächtigen Lehmhütten der Xhosas auf deutschen Kolonialstil. Die ehemals deutsche Gemeinde wurde im Zuge der Homelandbildung 1979 ausquartiert. Jetzt erinnern eine zum Wohnhaus umfunktionierte Kapelle, eine alte Schule, der Friedhof und diverse Verwaltungsgebäude an die deutschen Immigranten. Trotz des sehr soliden Baustils fallen die Gebäude zusehends zusammen: Löchrige Dächer, fehlende sanitäre Anlagen, zerbrochene Fenster, verschimmelte Wände und heruntergekommene Zwischenmauern sind nur einige Zeichen, die die Armut dieses Dorfes aufzeigen.

Empilisiweni Masimanyane

Die Schulen kämpfen mit der Tatsache, dass über die Hälfte der Schüler in den letzten zehn Jahren an AIDS gestorben ist. Von den restlichen Kindern sind etwa die Hälfte Aidswaisen. Gleichzeitig fehlt es an Geld für Lehrer. Die Grundschule hat 15 Lehrer für rund 500 Schüler. „Das ist ein weiteres Problem, das zu der Verbreitung von HIV führen kann“, meint Buyiswa Mhambi. „Zum einen haben die Schüler keine Grundbildung, die ihnen hilft, Gut von Böse zu unterscheiden, und zum anderen haben sie zu viel Freizeit. Viele Jugendliche langweilen sich, sind frustriert und sehr traurig. Wir tragen so viel Schmerz in uns und wir müssen lernen, damit umzugehen. Doch wie soll ein Jugendlicher, der seine Eltern verloren hat, gemieden wird, arm ist und bei Verwandten wohnt, die meistens finanziell und sozial überfordert sind, lernen, mit dem Schmerz umzugehen? Das macht wütend. Und Wut produziert Gewalt.“  In Frankfort arbeitet Empilisiweni sehr eng mit der Polizei unter der Leitung von Captain Tummani zusammen: Fortbildungen zur Sensibilisierung der Polizisten bei Gewaltverbrechen, Projekte für Jugendliche, um sie von der Straße zu holen, und zahlreiche Aufklärungsveranstaltungen sind ein positives Ergebnis dieser Kooperation.

Doch gegen die vorherrschende Unwissenheit und Ignoranz kann die Polizei nichts ausrichten. Darum bildet Buyiswa Mhambi Dorfbewohner zu Sozialarbeitern aus. Diese arbeiten während eines Jahres  gemeinsam mit Empilisiweni bei Veranstaltungen und Hausbesuchen zusammen. Nach dem Jahr werden drei bis vier der ausgebildeten Dorfbewohner weiter beschäftigt und führen die Arbeit im Dorf weiter.

Um für eine fundierte Aufklärung zu sorgen, entwickelte Buyiswa gemeinsam mit ihren Mitarbeitern einen Fragebogen zum Thema HIV-Prävention und Umgang mit der Krankheit. Mit dem Fragebogen ausgestattet klopfen die Mitarbeiter einzeln an jede Tür und bitten um Einlass. Dann reden sie schonungslos offen über Sex, HIV, die persönliche Situation des jeweiligen Bewohners und über Möglichkeiten zu helfen und einzugreifen. „Wir entdecken so viele kranke Menschen bei unseren Door-to-Door-Begehungen. Viele haben TB, sind unterernährt, weisen deutliche Mangelerscheinungen auf oder sind offensichtlich HIV-positiv, ohne es zu realisieren. Wir organisieren dann einen Arzt, übernehmen die Transportkosten zur Klinik, besorgen Medikamente und Hilfe“, erzählt Mhambi.

Empilisiweni Masimanyane

„Ich kann als Mann gar kein AIDS kriegen. Rede mit meiner Frau.“

Das Beispiel Frankfort zeigt deutlich, dass der Aufklärungsbedarf in den ländlichen Regionen des Eastern Cape besonders hoch ist. Fast jeder Zweite hatte grundlegende Fragen zum Thema HIV: Eine alte Frau zum Beispiel sagte rundheraus: „Ich bin zu alt, um mit meinen Mann was anfangen zu können. Wie kann ich mich da noch anstecken?“ Auf den Hinweis, dass sie zum Beispiel bei Geburten mithilft, ohne sich mit Handschuhen zu schützen, winkte sie schnaubend ab und schob die Krankheit schimpfend auf die verwahrloste Jugend. Ein Mann begrüßte den Empilisiweni-Mitarbeiter direkt mit den Worten: „Ich kann als Mann gar kein AIDS kriegen. Rede mit meiner Frau.“ Nach dem Gespräch meldete er sich zum kostenlosen Test an. Eine junge Frau gestand: „Ich habe oft von AIDS gehört und viel darüber im Fernsehen gesehen. Aber was ist es genau? Kann das jeder kriegen?“  Verheerende Gerüchte, wie zum Beispiel, dass der Sex mit einer Jungfrau Männer von AIDS heilt, oder schlechtes Benehmen und zu viel Sex zu AIDS führen, erschweren die Arbeit auch in Frankfort. Immer wieder erklären die Mitarbeiter, wie AIDS übertragen wird, wie man sich am besten schützt, wie man mit HIV-positiven Menschen umgeht und sich selbst bei einer Ansteckung verhalten sollte.

Empilisiweni Masimanyane

„Wenn wir bei den Befragungen oder bei den Tests HIV-positive Menschen entdecken, helfen wir ihnen, indem wir sie mit Organisationen und Foundations zusammenbringen, die sich mit der Krankheit und den Folgen beschäftigen und den Menschen mit Transport und Nahrung helfen. Denn viele Aidskranke wohnen zu weit von den Kliniken entfernt, um an die Medikamente zu kommen. Wer sich kein Essen leisten kann, muss auf die Medizin verzichten, denn die Nebenwirkungen sind dann zu stark“, erklärt Buyiswa Mhambi.

Nach einem endlos langen Tag resümiert die engagierte Empilisiweni-Managerin: „Der Kampf geht immer weiter, es ist keine Entspannung in Sicht. Noch immer stecken sich im Eastern Cape täglich 1500 Menschen an. Dieses Land muss lernen, dass es sich bei HIV nur um eine Krankheit handelt und nicht um einen Fluch!“

(ca.12.320 Zeichen)

Text und Fotos: Maryatta Wegerif

7 Responses to “Der endlose Kampf in Südafrika gegen Tabus und den Tod”

  1. Kai Goertz says:

    Schön dass der Artikel endlich online zu lesen ist. Hoffe,dass er auch einige Menschen erreicht. Südafrika hat viele Gesichter…

  2. Josef Haverkamp says:

    Der Artikel macht eindringlich deutlich, dass in Südafrika der Umgang mit Aids leider immer noch von fehlenden Infos, Falschinformationen und Vorurteilen geprägt ist – aber auch, dass es Menschen gibt, die dies zu ändern versuchen.
    Die intensiven Fotos zeigen die Menschen in einer großen individuellen Einsamkeit, selbst dann, wenn sie nicht alleine sind.

  3. Rainer Herzog says:

    Ein eindringlicher Text – die Worte der Menschen werden durch kraftvolle, intensive Bilder verstärkt und verleihen ihm eine bedrückende Authentizität.

  4. Anton Borghoff says:

    Der Artikel stellt die Vision klar – wir müssen alle gemeinsam dieses Thema noch mehr an die Öffentlichkeit bringen. Durch diese intensiven Bilder muss uns allen klar werden, dass W I R gefragt sind, um das Thema Aids in Südafrika immer wieder in den Vordergrund zu stellen und darauf aufmerksam zu machen.

  5. Rebekka Bongart says:

    Auch angesichts der gerade vorüber gegangenen AIDS-Konferenz wird dieses Thema immer aufklärungsbedürftig sein.
    Dieser Artikel überrascht durch verstörende Aussagen der Betroffenen, die es eigentlich gar nicht wissen. Die Bilder sind wundervoll, auch wenn sie die Traurigkeit dieser Zustände nur bündeln. Aber sie zeigen auch die Hoffnung, dass es nie zu spät ist.

  6. Bjoern und Ela Jans says:

    Hallo ihr beiden Lieben !!!

    Ein wirklich interessanter Artikel, mit intensiven Bildern zu einem denkwürdigen Thema – regt zum Nachdenken an…

    Wenn ihr mögt, freuen wir uns von Euch zu hören !!!!!!!!

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